Zerissene Berufung

Die „Frauenfrage“ gilt als eine der brennendsten kirchenpolitischen Fragen unserer Zeit. Mich stört ehrlich gesagt, dass diese Frage hauptsächlich als Politikum diskutiert wird. Es geht dann um die Frage von Gleichberechtigung, Teilhabe und auch um Macht. All diese Dinge dürfen und müssen selbstverständlich diskutiert werden, keine Frage.

Für mich geht es aber in erster Linie um etwas ganz anderes. Es geht um Freiheit. Gott hat uns durch Jesus Christus zur Freiheit berufen und mein Glaube war schon immer das, was mich freigesetzt hat und wodurch ich mich entfalten konnte. Zunehmend steht diese von Gott gegebene Freiheit aber in einem Spannungsverhältnis zu den Grenzen der Institution Kirche.

Ich bin 21 Jahre alt und studiere Katholische Theologie, weil ich später im Pastoralen Dienst arbeiten möchte. Zu Beginn meiner Berufsorientierung erschien mir das Berufsbild der Pastoralreferentin als „ausreichend“. Über die Zeit und durch viele Gebete ist aber die Sehnsucht, Menschen in den intimsten Momenten mit Gott zu begegnen, immer größer geworden. Diese Intimität konkretisiert sich, wie ich das sehe, in den Sakramenten. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als Menschen vor den Traualtar zu begleiten oder sie zu taufen. Und ja: ich fühle mich dazu berufen.

Ich kann nicht sagen, ob sich diese Berufung im Amt der Diakonin oder der Priesterin konkretisiert oder ob es in meinem Fall sogar „ausreichen“ könnte, wenn Pastoralreferent*innen zukünftig Dienste wie Eheassistenz oder Taufe übernehmen dürften. Aber genau in diesem Nicht-Wissen liegt die Überforderung. Ich wage zu behaupten, dass es schon für Männer herausfordernd ist, zu prüfen, ob sie zum Priestertum berufen sind. Wie schwierig ist es dann aber erst, diese Fragen zu haben und damit völlig allein gelassen zu sein? Meine männlichen Kommilitonen ziehen ins Priesterseminar, wo sie jahrelang intensiv begleitet und auf ihrem Berufungsweg unterstützt werden.

Ich besuche sie dort, habe aber keinen entsprechenden Rahmen, in dem ich diese Fragen klären könnte. Wenn wir an einen Gott glauben, der sich durch die Zeit in allen Menschen offenbart und dessen heilige Geisteskraft in allen Menschen wirkt, dann frage ich mich, warum man ihm abspricht, sich in Frauen (und allen weiteren geschlechtlichen Identifikationen), die zu Priester*innen berufen sind, zu offenbaren. Wenn Gott die ist, die mich mit Charismen und Talenten ausgestattet hat, dann frage ich mich, warum die Kirche verwehrt, dass ich all diese Charismen und Talente zum Wohl der Gläubigen einsetze.

Wenn Gott dieses große Geheimnis ist, von dem wir nur Ansätze wissen können, dann frage ich mich, wie klein ihn diejenigen machen, die ihm zutrauen, nur cis-geschlechtliche Männer zu Priestertum und Diakonat zu berufen.

Wenn Gott dieses große Geheimnis ist, von dem wir nur Ansätze wissen können, dann frage ich mich, wie klein ihn diejenigen machen, die ihm zutrauen, nur cis-geschlechtliche Männer zu Priestertum und Diakonat zu berufen. Vielleicht kennen einige von Ihnen das Lied „What’s Up“ von den 4 Non Blondes. Im Refrain singen sie voller Inbrunst „What’s going on?“ („Was ist los?“). Diese verzweifelte Frage hat schon so viele meiner Gebete begleitet, in denen ich Gottes „verbotenen“ Ruf verspürt habe.

Ich glaube, Menschen, die diesen Ruf nicht verspüren, können sich gar nicht vorstellen, wie zerrissen man sich fühlt, wenn man von Gott so freigesetzt, aber von einer Institution so eingeschränkt wird. Später im Lied heißt es: „And I try, Oh my god do I try, I try all the time in this institution. And I pray, oh my god do I pray, I pray every single day for revolution“ (Und ich versuche es, oh mein Gott, versuche ich es? Ich versuche es die ganze Zeit in dieser Institution.

Und ich bete, oh mein Gott, bete ich? Ich bete jeden Tag für eine Revolution). Ja, ziemlich genau so sieht mein Weg momentan aus. Ich versuche es irgendwie in dieser Kirche und ich bete darum, dass sie wieder ein Ort wird, an dem alle Menschen in Freiheit und an ihren Charismen orientiert einander dienen und Gutes tun.

3 Anmerkung zu “Zerissene Berufung

  1. Dr. Ingbert Blatz

    Ganz kurz zu mir:ich bin schon ein älteres „Semester“,ich glaube, ies wäre jetzt das 89. Semester. ☺️
    Meine Frau und ich sind konfessionsverschieden (ich bin der katholische Teil). Also ich hätte kein Problem mit Ei er Priesterin. Ich kenne viele Pfarrerinnen, die mit Hingabe und tiefem Glauben ihren Dienst ausüben. Und Macht und Geltungssucht haben im priesterlichen Dienst nichts zu suchen. Das Verhältnis des Priesters/der Priesterin zu den Gemeindemitgliedern sollte wie in der Ehe von Liebe geprägt sein, auch auf die Gefahr hin, ausgenützt zu werden.
    So, das waren nur so ein paar Gedanken eines Nichttheologen…
    Viele herzliche Grüße
    Ingbert

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  2. Celloninireg

    Und, wie wäre es, die Institution zu wechseln? Was hält Dich davon ab? Ich als Pastorin kann meiner Berufung folgen. Meine Inhalte der Selbstüberprüfung werden nicht von der Restriktionen der Institution bestimmt, sondern können sich mit dem Eigentlichen befassen.

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  3. Stephan Schwerdtfeger

    Ich glaube, das ist schwierig einfach die Konfession zu wechseln, auch wenn es vielleicht evangeliumsgemäß und dogmatisch gut begründbar ist (ich war leidenschaftlich Dogmatiker). Nan kann die Traditionen und Riten mit denen man groß wurde, nicht einfach abschütteln. Ich fühle mich im kath. Gottesdienst nicht zu Hause im Sinne von Ps 27,4 und denke, Kira geht es umgekehrt auch so.

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